Wie Konzerne über unser Essen bestimmen

Ernährung neu denken – RI-NUTRI – Ripensare la nutrizione

 

2040 werden neun Milliarden Menschen auf der Erde leben, weitere 15 Jahre später werden es zehn Milliarden sein. Taugt das globale Ernährungssystem für die Zukunft? Können alle Menschen gut ernährt und die benötigten Nahrungsmittel umwelt- und sozialverträglich produziert werden?
Anlässlich des Welternährungstages am 16. Oktober 2022 hat die Verbraucherzentrale Südtirol in Zusammenarbeit mit der Initiative „RI-NUTRI – Ripensare la nutrizione“ von Fondazione UPAD (Università Popolare delle Alpi Dolomitiche) eine neue, zeitlich befristete Servicereihe mit wöchentlichen Pressemitteilungen zu Fragen und Themen der Welternährung initiiert.

 

Wie Konzerne über unser Essen bestimmen

 

Seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts haben sich Unternehmen aus dem Nahrungsmittelbereich zu multinationalen Konzernen gewandelt, die auf der ganzen Welt und in verschiedensten Geschäftsfeldern tätig sind. Firmenübernahmen und Fusionen haben dazu geführt, dass heute weite Teile des globalen Agrar- und Ernährungssystems von einigen wenigen multinationalen Konzernen dominiert werden. Man denke beispielsweise an die Fusionen von Bayer mit Monsanto, Dow mit DuPont und Syngenta mit ChemChina, allesamt Saatgut- und Agrarchemiekonzerne. Weltweit steigt die Nachfrage nach Nahrungsmitteln, insbesondere nach Fleisch und hochverarbeiteten Produkten, weil sich in den Ländern des globalen Südens aufgrund von Urbanisierung und höheren Einkommen die Ernährungsgewohnheiten ändern. Steigende Raten an Übergewicht und Diabetes zählen zu den Folgen dieses Wandels.

Die nach Umsatz größten Nahrungsmittelproduzenten weltweit (Quelle: weltexporte.de nach dem Ranking von Forbes 2022) sind Nestlé (Sitz: Schweiz; 95,3 Milliarden US-Dollar 2021), Archer Daniels Midland (USA; 85,3 Mrd. USD), Wilmar International (Singapur; 65,8 Mrd. USD), JBS (Brasilien; 65 Mrd. USD) und Bunge (USA; 59,2 Mrd. USD). Auf den Plätzen folgen Tyson Foods (USA), CJ Corporation (Südkorea), Mondelez International (USA), Danone (Frankreich) und Kraft Heinz (USA). Der Spitzenreiter Nestlé umfasst im Bereich der Nahrungsmittel und Mineralwässer über 2.000 Marken weltweit, darunter Nespresso, Nescafé, Nesquik, Nestea, Buitoni, Maggi, Motta, Mövenpick, Alete, Perrier, San Pellegrino und Levissima. Archer Daniels Midland verarbeitet Getreide und Ölsaaten und stellt daraus Produkte bzw. Zutaten (z.B. Mehle, Sojaschrot, Sojaöl, Palmöl, Fruktosesirup) und Lebensmittelzusatzstoffe her. Wilmar International ist der weltgrößte Verarbeiter und Vertreiber von Palmöl. JBS (José Batista Sobrinho Sociedade Anónima) ist aktuell der größte Fleischproduzent der Welt und das größte Fleischverarbeitungsunternehmen in Südamerika. Bunge ist der weltgrößte Verarbeiter von Ölsaaten und bedeutendste Abfüller von pflanzlichen Ölen.

Aufgrund ihrer Machtstellung sind die Konzerne in der Lage zu bestimmen, unter welchen Bedingungen landwirtschaftliche Rohstoffe angebaut, zu Nahrungs- und Genussmitteln verarbeitet und vermarktet werden. Im Mittelpunkt stehen dabei die Steigerung der Produktivität und der Kampf um Marktanteile. Das System fördert die Industrialisierung der Landwirtschaft und die Ausbeutung von Ressourcen, Tieren und Menschen, und es verursacht gravierende soziale (schlechte Arbeitsbedingungen, Armut) und Umweltprobleme (Verlust fruchtbarer Böden und der Artenvielfalt, Ausstoß von Treibhausgasen u.v.m.).

Auch der weltweite Handel mit Nahrungsmitteln ist sehr konzentriert. Gemessen am Handelswert, sind Weizen, Mais und Sojabohnen wichtigsten Agrarrohstoffe, daneben sind Zucker, Palmöl und Reis bedeutsam. Rund 90% der Sojaexporte stammen aus nur drei Ländern, nämlich Brasilien, USA und Argentinien. Rund 85% der Palmölexporte stammen aus Indonesien und Malaysia. Auch der Export von Mais, Kakao und Kaffee konzentriert sich zu großen Teilen auch nur auf drei Länder.

Dr. Lucio Lucchin, der Initiator des Projekts „RI-NUTRI“ und vormals Primar des Dienstes für Diätetik und klinische Ernährung im Krankenhaus Bozen, meint: „Die größte Bedrohung der Freiheit ist die Konzentration der Macht. Wer die Lebensmittel kontrolliert, kontrolliert die Menschen.“ Silke Raffeiner, die Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale Südtirol, empfiehlt: „Verbraucher und Verbraucherinnen sollten sich von der Lebensmittelindustrie kein X für ein U vormachen lassen und sich angewöhnen, beim Einkauf die Lebensmitteletiketten kritisch zu lesen.“

Eine Übersicht über die aktuellen Veranstaltungen im Rahmen des Projekts RI-NUTRI (Vorträge in italienischer Sprache) ist auf der Internetseite https://www.upad.it/ri-nutri/ zu finden.

 

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