Phishing-Betrug und Datenschutz

VZS reicht Sammelklage gegen Finanzdienstleister Nexi ein

 

Die Verbraucherzentrale Südtirol (VZS) hat mit den Rechtsanwälten Dolce und Malossi der Kanzlei Dolce Lauda, die in Italien und Deutschland tätig ist, eine Sammelklage (nach dem neuen Muster gemäß Artikel 840 bis ff der Zivilprozessordnung) gegen den Zahlungsdienstleister Nexi eingereicht.

Nexi gilt als das größte Unternehmen für Zahlungsdienstleistungen in Italien, und verwaltet ca. 41,3 Millionen Zahlungskarten (Prepaid, Debit, Kreditkarten).

Am 2. Februar findet vor dem zuständigen Landesgericht in Mailand die erste Verhandlung statt; bei dieser Verhandlung wird die Zulässigkeit der Klage entschieden.

 

Wie es dazu kam
In den letzten Jahren wandten sich zahlreiche Personen, die Opfer von Betrug bei Onlinezahlungen wurden, an die VZS (wir haben mehrmals berichtet). In vielen Fällen wurden die Zahlungen mit Kreditkarten, von Nexi ausgestellt und verwaltet, durchgeführt.

Die Betrugsmasche ist in allen Fällen ähnlich: per E-Mail, SMS und Anruf können die Betrüger einen Code bzw. ein Password ergattern und online Zahlungen durchführen.

Die VZS hat für viele Geschädigte einen Rekurs beim Schiedsgericht der Banca d‘Italia, dem Arbitro Bancario Finanziaro, kurz ABF, eingereicht. In den Rekursen vor dem ABF wurde unter anderem angeführt, dass Nexi eine Kunden-Authentifizierung mit nur einem Faktor durchführt: dies entspricht nicht dem Standard der europäischen Zahlungsdienstleistungsrichtlinie (PSD2-Richtlinie EU/2015/2366).

In den meisten Entscheidungen folgte der ABF den Ausführungen der VZS, und den Geschädigten wurden die entwendeten Beträge vollständig erstattet.

Leider gab es Fälle, bei denen der ABF den Ausführungen der VZS nicht gefolgt ist, auch wenn sich die Sachlage nahezu identisch darstellte. Damit auch diese Personen eine Rückerstattung erhalten, hat die VZS versucht, bei Nexi außergerichtlich eine gütliche Einigung zu erzielen. Andere Zahlungsdienstleister, darunter auch die örtlichen, fanden sich immer zu Verhandlungen bereit. Nexi hat unsere Anfrage recht lapidar abgelehnt.

„Uns ist es immer ein Anliegen, die außergerichtlichen Möglichkeiten bis zur Neigung auszuschöpfen“ kommentiert VZS-Geschäftsführerin Gunde Bauhofer. „Wir haben uns mit vielen Unternehmen sehr erfolgreich an den Verhandlungstisch gesetzt, und Verbraucherrechte wiederherstellen sowie finanzielle Ansprüche regeln können. Da hier am Anfang absolut kein Entgegenkommen der anderen Partei festzustellen war, und wir davon ausgehen, dass wir nicht die einzigen Geschädigten vertreten, bot sich der Fall für eine neue „Class Action“ an“.

 

Was ist eine Sammelklage
Bei einer Sammelklage entscheidet das Gericht einheitlich über eine Rechtsfrage oder einen Sachverhalt, die eine Vielzahl von Personen betreffen; die Teilnahme ist für die einzelnen Betroffenen kostenlos.

Zuerst werden vom Gericht die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Sammelklage überprüft; anschließend wird ein telematisches Klageregister beim Justizministerium eröffnet. Alle Betroffenen mit den entsprechenden Voraussetzungen können sich in das Klageregister einschreiben. Die Betroffenen benötigen keinen anwaltlichen Beistand, müssen kein Mandat erteilen oder irgendwelche Kosten tragen.

Im Falle einer Verurteilung der beklagten Partei (in diesem Falle Nexi) wird das Klageregister erneut eröffnet, damit auch jene Betroffene, welche die Voraussetzungen erfüllen, sich aber noch nicht eingeschrieben hatten, von dieser Entscheidung profitieren können.

Wer erwägt, sich in eine Sammelklage einzulassen, muss sich vor Augen halten, dass die Klage zwar weder Kosten noch Risiko mit sich bringt, eine Teilnahme an einer solchen jedoch das Recht auf eine individuelle Klage für den selben Sachverhalt erlöschen lässt.

Voraussetzung für eine Sammelklage ist die Verletzung von individuellen homogenen Rechten (diritti individiuali omogenei). Aus Sicht der VZS ist eine solche Situation vorhanden, da der Zahlungsdiensleister Nexi keine Zwei-Faktoren-Kundenauthentifizierung durchgeführt hat (Absatz 2 des Artikel 74 der PSD2-Richtlinie).

Die VZS vermutet, dass viele Kunden und Kundinnen von Nexi durch diese Lücken bei der Kundenauthentifizierung einen Schaden erlitten haben. Somit bot sich die Einreichung einer echten Sammelklage nach Artikel 840 bis der Zivilprozessordnung als Lösungsversuch an.

„Jeder kann Opfer von Phishing werden, die Täter werden immer kreativer. Das europäische Recht bietet weitestmöglichen Schutz und muss auch in Italien korrekt umgesetzt werden“ meint RA Rodolfo Dolce der Kanzlei Dolce-Lauda abschließend.

 

Am 2. Februar wird in Mailand die erste Verhandlung stattfinden. Dort wird voraussichtlich über die Eröffnung des Registers entschieden.

 

 

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